Neues zur Buchpreisbindung

04.04.2017 · Dieter Wallenfels zu zwei wichtigen aktuellen Gerichtsentscheidungen - Rede bei der Jahreshauptversammlung Börsenverein Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland e.V.

Neues zur Buchpreisbindung

Dieter Wallenfels, Preisbindungstreuhänder und Justiziar des Börsenvereins Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland e.V. Bei der Jahreshauptversammlung dieses Verbandes am 04. April. 2017 zu zwei wichtigen aktuellen Gerichtsentscheidungen:

Mit der Novellierung des Buchpreisbindungsgesetzes zum 01. September 2016 schienen alle Probleme gelöst zu sein. Hiernach stand fest, dass alle Verkäufer von Büchern an Letztabnehmer in Deutschland die Buchpreisbindung zu beachten haben, auch solche, die im Ausland ansässig sind, und dass E-Books ebenso der Preisbindung unterliegen wie gedruckte Bücher. Im Bundestag wiederholten Politiker aller Parteien ihr Bekenntnis zur Bedeutung der Buchpreisbindung für die einzigartige Buchkultur in Deutschland. Zu einer weiteren vom Buchhandel gewünschten gesetzlichen Regelung zur Preisbindung konnte sich der Gesetzgeber allerdings nicht durchringen, nämlich zum Verbot von Verkaufsförderungs-
aktionen, die einen Preiswettbewerb begründeten oder bei denen Verkäufer sich rechtsgeschäftlich verpflichten, dem Käufer oder Dritten keine wirtschaftliche Vergünstigung aus dem erzielten Umsatz zu gewähren. Das sollte sich als verhängnisvoll erweisen.

1.
Eine überraschende Entscheidung einer kleinen Kammer des Europäischen Gerichtshofs zur Arzneimittelpreisbindung im Oktober 2016 beunruhigte nicht nur die deutschen Apotheker sondern auch den Buchhandel. Die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel verpflichtet nach Auffassung der deutschen Gerichte auch ausländische Versandhändler zur Einhaltung der für Deutschland festgesetzten Preise. Dies sah der Europäische Gerichtshof anders. Nach seiner Auffassung wird hierdurch der Marktzutritt ausländischer Händler erschwert. Der Standortvorteil deutscher Apotheker - enge Kundenbindung, intensive Beratung, Notfallversorgung - sei so erheblich, dass dieser Vorteil durch die Möglichkeit ausländischer Anbieter ausgeglichen werden müsse, preisliche Vorteile anzubieten. Auch zog der EuGH in Zweifel, ob das vom deutschen Gesetzgeber angestrebte Ziel einer optimalen Versorgung mit Medikamenten überhaupt durch eine Preisbindung erreicht werden könne und ob eine solche Regelung verhältnismäßig sei. Jedenfalls aber hätten die nationalen Behörden nicht die erforderlichen ausreichenden Belege und Beweise für Eignung und Verhältnismäßigkeit erbracht.

Schon bald nach Bekanntwerden der Entscheidung gab es Stimmen, dass dieses Urteil auch die Buchpreisbindung betreffen können, deren grenzüberschreitende Geltung der deutsche Gesetzgeber ja gerade beschlossen hatte. Auch die Monopolkommission - ein aus Professoren und Experten aus der Wirtschaftspraxis bestehendes Gremium, das die Bundesregierung in Fragen des Wettbewerbsrechts und der - politik berät und regelmäßig Gutachten erstattet - meldete sich zu Wort. So stand in der Rheinischen Post vom 20. Oktober 2016:

" Monopolkommissions-Chef Achim Wambach erwartet Ende der Buchpreisbindung nach EuGH-Urteil. "

Ähnlich auch Weck, Sprecher der Kommission in der Fachpresse. Die Kommission versandte umfangreiche Fragebögen u.a. an Verbände des Buchhandels und der Presse zur Vorbereitung eines " Hearing " am 8. Mai 2017. Man wolle, so hieß es, die neue EuGH-Rechtsprechung zur Arzneimittelpreisbindung und die Erstreckung der Preisbindung auf E-Books zum Anlass nehmen, die gesetzliche Buchpreisbindung zu überprüfen. Ob allerdings nach den jüngsten Äußerungen von Mitgliedern der Kommission und deren seit jeher bestehender Abneigung gegen die Buchpreisbindung eine objektive Überprüfung zu erwarten ist, erscheint äußerst zweifelhaft.

Bei einer unvoreingenommenen Betrachtung muss man zum Ergebnis kommen, dass Arzneimittel- und Buchpreisbindung nicht miteinander zu vergleichen sind. Es gibt große Unterschiede der Märkte und Ziele der Preisregulierung. Die Buchpreisbindung will das Kulturgut Buch schützen, nicht bestimmte Medikamente, während die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel die optimale Versorgung der Patienten zum Ziel hat. Auch dürfen Apotheker für rezeptpflichtige Arzneimittel nicht werben. Die Beratung in Apotheken durch studiertes und langjährig ausgebildetes Fachpersonal ist sicherlich von größerer Bedeutung als Empfehlungen des Buchhändlers bei der Beratung seiner Kunden. Man denke auch an die Notfallversorgung durch örtliche Apotheken. Auch ist es für ausländische Buchhändler sehr einfach, örtliche Standorte zu begründen. Erheblich schwieriger aber bei Apotheken, die der Approbation bedürfen, der Zulassung und der Beschränkung unterliegen, dass ein Apotheker höchstens drei Filialen betreiben darf. Der Standortvorteil des örtlichen Buchhandels ist also erheblich geringer als bei Apotheken. Das schlagendste Argument ist aber die Realität des deutschen Buchmarktes. Amazon betreibt sein Geschäft aus Luxemburg und hatte demnach offensichtlich keine Probleme, eine marktbeherrschende Stellung im Online-Handel auf dem deutschen Markt zu erobern. Es gibt also keine Handelshemmnisse für ausländische Versandhändler, die mit den vom EuGH gesehenen Schwierigkeiten des Zutritts ausländischer Händler auf den Arzneimittelmarkt vergleichbar wären. Zudem hat sich der EuGH bereits im Jahr 2009 in einem österreichischen Preisbindungsverfahren mit der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung beschäftigt und dabei anerkannt, dass die Beschränkung des freien Warenverkehrs durch die Preisbindung geeignet sein kann, Kulturgut Buch und kulturelle Vielfalt zu schützen. Die Wirksamkeit grenzüberschreitender Regelungen des österreichischen Preisbindungsgesetz zog er nicht in Zweifel. Das könnte jetzt anders sein. Jedenfalls wird sich der Buchhandel wohl darauf einstellen müssen, dass das, was damals gereicht hat, jetzt nicht mehr ausreicht, dass der EuGH also selbst darüber entscheiden will, ob die Buchpreisbindung geeignet ist, die verfolgten Ziele zu erreichen, und Belege und Beweise erwartet.

2.
Eine weitere Gerichtsentscheidung, diesmal des Bundesgerichtshofes, hat den Buchhandel erhebliche Probleme beschert. Der Fall:

Amazon gewährt einem Schulförderverein in Berlin umsatzorientierte Auszahlungen zwischen 5 und 9 %, wenn die Eltern über einen Button auf der Homepage des Vereins auf die Seite von Amazon verlinkt werden und dort bestellen. Der Börsenverein klagte hiergegen. Das Landgericht Berlin gab ihm recht und sah hierin einen Preisbindungsverstoß. Zwar würden die Eltern den vollen Ladenpreis bezahlen, aber einen mittelbaren Vorteil durch die Zuwendung an die Schule erhalten. Das beeinflusse die Kaufentscheidung, so dass doch ein Preiswettbewerb entstünde. Im Ergebnis sähen die Eltern den Kauf bei Amazon als wirtschaftlich günstiger, sie erhielten ein " Mehr " im Vergleich mit Wettbewerbern, die solche Zahlungen nicht leisten. Außerdem würden die Eltern unsachlich beeinflusst und sähen sich moralisch gezwungen, diesen Bestellweg zum Vorteil der Schule zu beschreiten.


Anderer Meinung waren das Kammergericht und letztlich auch der Bundesgerichtshof:

Entscheidend sei allein, dass die Eltern den vollen Ladenpreis bezahlen und dieser auch voll beim Buchhändler eingehe (obwohl ja Amazon von vornherein versprochen hatte, einen Teil des Kaufpreises an den Förderverein weiterzugeben, der Kaufpreis also nicht dauerhaft beim Händler verbleibt). Solche Modelle seien Marketingmaßnahmen, so der BGH, die der Gesetzgeber dem Buchhandel mit dem Verbot des Preiswettbewerbs nicht nehmen wollte. Auch die provisionspflichtige Einschaltung Dritter sei hiernach zulässig. Eine Umgehung der Preisbindung liege nicht vor: Die Eltern erhielten nur ideele Vorteile. Das Gefühl etwas Gutes getan zu haben, sei rechtlich unerheblich. Die Preisbindung beziehe sich nur auf die Gewährung geldwerter, wirtschaftlicher fassbarer Vorteile.


Das Urteil verdient Kritik. Das Gericht greift sichtlich zu kurz:

Die Zulassung solcher Verkaufsmodelle ist nichts anderes als ein Preiswettbewerb durch die Hintertür. Schon wegen der Nähe der Eltern zur Schule, die einen Teil des Kaufpreises zurückerhält erscheint dies als ein wirtschaftlicher Vorteil, ein wirtschaftlich günstigeres Angebot als bei Händlern, die solche Rückzahlungen nicht anbieten. Hierdurch wird ein Verdrängungswettbewerb im ohnehin nicht lukrativen Schulbuchgeschäft mit sehr geringen Rabatten eröffnet, vor allem zum Schaden der kleineren und mittleren Buchhändler, die das Gesetz ja gerade schützen will und die sich solche Rückvergütungen nicht leisten können. Wie zu befürchten, haben nach der Entscheidung auch große Online-Händler dieses Modell aufgegriffen und sogar noch in der Weise überboten, dass unabhängig von der Umsatzgröße bis zu 12 % Rückzahlungen an Eltern und Fördervereine versprachen.

Die offene Frage ist, ob es vor dem Hintergrund dieses Urteils Grenzen für die Gewährung solcher Vorteile gibt, die Preisbindung also doch unter Umständen umgangen werden kann, und ob die vom BGH erwähnten ideellen Vorteile der Vergütung an die Schulen zu materiellen Vorteilen für die Käufer umschlagen können. Denn in dem Urteil heißt es, der Höchstsatz von 9 % sei nur bei Auftragsvolumina von 30.000 monatlichen Buchkäufen, die sehr unwahrscheinlich seien, zu erzielen. Die Chance für die Eltern, vom Guthaben der Schule zu profitieren, beziehe sich auf einen verschwindend geringen Bruchteil der Werbekostenerstattung. Wirtschaftlich sei das nicht so erheblich, dass dies die auf den Preis bezogene Kaufentscheidung in relevanter Weise beeinflussen könnte. Wenn nun aber, wie dies derzeit geschieht, Firmen wie Thalia oder Weltbild Rückvergütungen von erheblich höheren Wert als in dem vom BGH entschiedenen Fall versprechen, könnte dies dann doch eine Kaufentscheidung ganz erheblich beeinflussen und somit als Umgehung der Preisbindung gewertet werden.

Dieter Wallenfels
Preisbindungstreuhänder der Buchverlage

 
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