Welche Folgen hatte die Gesetzesänderung von 2006?

1.
Knapp vier Jahre nach Inkrafttreten des BuchPrG wurde das Gesetz 2006 geändert. Der Anstoß ging nicht vom Buchhandel aus, sondern vom Bundesrat. Bundesländern, die die Lernmittelfreiheit einschränken oder gar abschaffen, war die bisher geltende Regelung ein Dorn im Auge, dass bei Sammelbestellungen von Büchern für den Schulunterricht die Nachlässe des § 7 Absatz 3 BuchPrG nur dann zu gewähren sind, wenn die Bestellungen überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert werden. Beim Fortbestand dieser Regelung hätten z. B. bei der diesjährigen Schulbuchbeschaffung die bayerischen Schulen keine Nachlässe mehr erhalten dürfen.

Im Mittelpunkt der Gesetzesänderungen stand also die Neufassung von § 7 Absatz 3. Diese lautet nunmehr:

Bei Sammelbestellungen von Büchern für den Schulunterricht, die zu Eigentum der öffentlichen Hand, eines Beliehenen oder allgemein bildender Privatschulen, die den Status staatlicher Ersatzschulen besitzen, angeschafft werden, gewähren die Verkäufer folgende Nachlässe:

bei einem Auftrag im Gesamtwert bis zu 25.000 Euro für Titel mit
mehr als 10 Stück 8 Prozent Nachlass
mehr als 25 Stück 10 Prozent Nachlass
mehr als 100 Stück 12 Prozent Nachlass
mehr als 500 Stück 13 Prozent Nachlass

bei einem Auftrag im Gesamtwert von mehr als
25.000 Euro 13 Prozent Nachlass
38.000 Euro 14 Prozent Nachlass
50.000 Euro 15 Prozent Nachlass

Soweit Schulbücher von den Schulen im Rahmen eigener Budgets angeschafft werden, ist stattdessen ein genereller Nachlass von 12 Prozent für alle Sammelbestellungen zu gewähren.

Diese Gesetzesfassung entspricht nicht den Vorstellungen des Buchhandels. Zwar war es aus politischen Gründen kaum möglich, sich einer Anpassung des Gesetzes hinsichtlich der Nachlaßgewährung an die Veränderungen bei der Lernmittelfreiheit zu verschließen. Es hätte aber nahegelegen, in Verbindung mit einer Erweiterung der verbindlich vorgeschriebenen Nachlassgewährung auch auf nicht öffentlich finanzierte Schulbuchbestellungen die bisher geltenden an Stückzahl und Auftragsgröße orientierten Staffeln durch einen einheitlichen Nachlaßsatz von 12 % abzulösen und den Begriff "Sammelbestellung" zu definieren: entweder mehr als 10 Exemplare eines Titels oder mehr als 50 Bücher. Dies war auch in dem ursprünglichen Gesetzesantrag des Freistaates Bayern vom 31.08.2005 so vorgesehen. Dies hätte zur Folge gehabt, daß die wirtschaftlich völlig unsinnige, vergaberechtlich aber geforderte europaweite Ausschreibung von Aufträgen über preisgebundene Schulbücher oberhalb des Schwellenwertes von EUR 230.000,00 ihren Sinn vollends verlöre und bei einem einheitlichen Nachlaßsatz von 12 % für alle Aufträge, unabhängig vom Volumen, die Schulbuchbeschaffung durch die Schulen selbst die Regel würde. Die jetzt geltende Regelung, die deutlich fiskalisch geprägt ist, ist nicht die vom Buchhandel angestrebte. Für die Nachlaßgewährung im bisherigen Umfang kommt es zukünftig also nur noch darauf an, daß Schulbücher zu Eigentum der öffentlichen Hand, eines Beliehenen oder allgemein bildender Privatschulen, die den Status staatlicher Ersatzschulen besitzen, angeschafft werden. Die überwiegende Finanzierung durch die öffentliche Hand ist nicht mehr Voraussetzung für die Nachlaßgewährung.

Völlig unklar ist der Begriff des "Beliehenen". Hier standen Überlegungen im Hintergrund, staatliche Aufgaben, hier also die Schulbuchbeschaffung, auf private Unternehmen zu delegieren ("Hamburger Modell"). Der Begriff des "Beliehenen" stammt aber aus dem öffentlichen Recht und setzt voraus, daß hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden, wie z. B. durch den Technischen Überwachungsverein (TÜV). Da aber die Schulbuchbeschaffung fiskalische und nicht hoheitliche Tätigkeit der öffentlichen Hand ist, bleibt rätselhaft, was der Gesetzgeber sich hierbei gedacht hat.

Klar ist immerhin, daß Nachlässe nicht zu gewähren sind, wenn kein unmittelbarer Eigentumserwerb der öffentlichen Hand stattfindet, wenn also z. B. ein Förderverein Schulbücher kauft und später der Schule überläßt. Denn dann werden die Bücher nicht zu Eigentum der öffentlichen Hand angeschafft. Erfreulich auch, daß die Ausweitung auf Privatschulen beschränkt ist, die den Status einer staatlichen Ersatzschule haben, also private Berufsbildungs- oder Fortbildungsanbieter sonstiger Art von der Nachlassgewährung ausgeschlossen sind.

2.
a) Der Börsenverein hatte die Hoffnung, daß in Verbindung mit der Änderung der Nachlaßgewährung bei der Schulbuchbeschaffung weitere, aus der Sicht des Buchhandels erwünschte Änderungen durchgesetzt werden könnten. Diese Hoffnung hat sich nur zum Teil erfüllt. So hat der Gesetzgeber den Wunsch aufgegriffen, die vor Inkrafttreten des Buchpreisbindungsgesetzes geltenden Regelungen über den Räumungsverkauf wieder einzuführen, also Buchhandlungen die schließen müssen, die Möglichkeit zu geben, zu herabgesetzten Preisen zu verkaufen. Diese Möglichkeit eröffnet die Gesetzesnovellierung für einen auf 30 Tage begrenzten Räumungsverkauf anläßlich der endgültigen Schließung einer Buchhandlung, sofern die Bücher aus den gewöhnlichen Beständen des schließenden Unternehmens stammen und den Lieferanten zuvor mit angemessener Frist zur Rücknahme angeboten wurden (§ 7 Absatz 1 Nr. 5 BuchPrG). Da die Gesetzesänderung die Zwangslage einer aufgebenden Buchhandlung berücksichtigt, die auf die rasche Lagerräumung angewiesen ist, kommt ein Ausverkauf unter Preis nicht in Betracht, wenn die Buchhandlung fortbesteht und lediglich der Inhaber wechselt. Der gewerbs- oder geschäftsmäßige Weiterverkauf von Büchern, die aus einem Räumungsverkauf stammen, unterliegt ebenfalls der Preisbindung, weil auch hier die für den Räumungsverkauf typische Zwangslage eines Händlers nicht besteht


b) Überproduktion von Büchern durch die Verlage und hohe Remissionsquoten sind die Ursache für ein sehr massives Angebot von preisgebundenen Büchern unter Preis als Mängelexemplare, die häufig keinerlei Mängel aufweisen. Um Mißbräuchen entgegenzutreten, ist nunmehr vorgeschrieben, daß nur solche Bücher als Mängelexemplare verkauft werden dürfen, die aufgrund einer Beschädigung oder eines sonstigen Fehlers als Mängelexemplar gekennzeichnet sind (§ 7 Absatz 1 Nr. 4). Dies ist zwar ein Fortschritt, löst aber nicht das Problem, daß verlagsneue Bücher zu Unrecht als Mängelexemplar gekennzeichnet werden. Ein Unterpreisverkauf solcher Bücher ist nach der Rechtsprechung unzulässig, die Kennzeichnung als Mängelexemplar ist nicht selbst ein Mangel (OLG Frankfurt 11 U 8/05, Urteil vom 26.07.2005).

c) Eher redaktionelle Bedeutung hat die Änderung von § 8 Absatz 1 BuchPrG (Dauer der Preisbindung): Die bisherige Gesetzesfassung stellte zu der bei Aufhebung der Preisbindung einzuhaltenden Frist von 18 Monaten auf die "Druckauflage" ab. Nunmehr formuliert das Gesetz, daß die Preisbindung für Buchausgaben aufgehoben werden kann, deren erstes Erscheinen länger als 18 Monate zurückliegt. Damit ist klargestellt, daß die Frist bei unveränderten Nachdrucken oder Neuauflagen nicht von neuem zu laufen beginnt, anders aber bei Buchausgaben, die sich voneinander unterscheiden.

d) Mit gewichtigeren Änderungsvorschlägen fand der Buchhandel beim Gesetzgeber aber leider kein Gehör. So gab es keine Zustimmung für den Wunsch der Kalenderverlage und des Buchhandels, auch Kalender in die gesetzliche Preisbindung einzubeziehen. Wünschenswert wäre auch eine Klarstellung des Gesetzgebers gewesen, daß über die Nachlässe hinaus die für Schulbücher gesetzlich vorgeschrieben und bei Bibliotheken gestattet sind, keinerlei Zugaben gewährt oder gefordert werden dürfen. Gewünscht hätte man sich auch eine Präzisierung der Regelung des Bibliothekennachlasses, die den Nachlaß für wissenschaftliche Bibliotheken ausdrücklich auf solche mit der Zweckbestimmung der Nutzung durch die Öffentlichkeit beschränkt. Kein Erfolg war auch dem Vorschlag beschieden, zur Verhinderung von Mißbräuchen mit Gutscheinen zu regeln, daß beim Verkauf preisgebundener Bücher eine Verrechnung mit Gutscheinen, die der Verkäufer selbst ausgestellt hat oder die andere Unternehmen ausstellen, unzulässig ist, die Gutscheinverrechnung also auf den im Buchhandel seit langem gebräuchlichen echtem Geschenkgutschein, den man beim Buchhändler erwerben kann, zu beschränken.

So trägt die Gesetzesnovellierung in erster Linie fiskalischen Interessen Rechnung. Die Interessen des Buchhandels sind nur in zweiter Linie in einem geringeren als erhofftem Umfang berücksichtigt worden. Dennoch ist die Gesetzesnovellierung vor allem deshalb für den Buchhandel ein positives Ereignis, weil der Gesetzgeber sich ein weiteres Mal deutlich zur Buchpreisbindung als einem wichtigen kulturpolitischen Instrument bekannt hat. Die Sprecher aller Parteien haben bei der Beratung des Gesetzesentwurfs im Parlament vor der einstimmigen Beschlußfassung hervorgehoben, welche Bedeutung die Bindung des Buchpreises für die Sicherung einer Vielzahl von Buchtiteln, Verlagen und Buchhändlern hat und ermöglicht, wichtige Bücher zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Der Deutsche Bundestag klopfte sich sozusagen selbst auf die Schulter bei der befriedigten Feststellung, daß das 2002 von ihm beschlossene Buchpreisbindungsgesetz entscheidend zu langfristiger Vielfalt im deutschen Buch- und Verlagswesen beigetragen habe, das weltweit einmalig sei.

Kritische Akzente allerdings setzte später Bundestagspräsident Lammert bei seiner Rede zum Abschluß der Berliner Buchhändlertage im Mai 2006, als er den Buchhandel davor warnte, sich dieses Wohlwollens des Gesetzgebers auf Dauer allzu sicher zu sein, wenn es nicht gelinge, der starken Kommerzialisierung des Buchhandels zu Lasten kulturpolitischen Engagements mit der Folge sich beschleunigender Konzentration vor allem im Handel und damit einhergehender Verengung des buchhändlerischen Angebots auf Schnell- und Leichtverkäufliches entgegenzuwirken. Politisch sei die Preisbindung nicht in Gefahr, aber die Branche selbst könne sie ruinieren. Ein bemerkens- und beachtenswertes Signal, das der Buchhandel ernst nehmen sollte.

 
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